Thromboserisiko

 

Prospektive Studien
Seit längerer Zeit ist bekannt, daß eine Verbindung zwischen Parodontitis und einem erhöhten Risiko für koronare Herzkrankheit (KHK) und anderen thromboembolischen Komplikationen besteht. In einer großen prospektiven US-Studie aus den siebziger und achtziger Jahren (Health examination survey) mit 9760 Personen wurde ein um 25% erhöhtes Risiko für KHK bei Patienten mit Parodontitis gefunden. Ebenso war schlechte Mundhygiene, verifiziert durch den Plaqueindex, mit dem KHK-Risiko korreliert.

Die Parodontitis ist unabhängig von den Risikofaktoren, die beiden Erkrankungen zugrundeliegen können, wie z.B. Rauchen oder systemische Erkrankungen (Diabetes), in einigen Studien als statistisch signifikanter Risikofaktor für thromboembolische Komplikationen erkannt worden.

Mittlerweile weisen auch mehrere Studien darauf hin, daß es sich hierbei um eine kausale Beziehung handelt:

Pathogenese

Direkte Wirkung von Endotoxinen der Markerkeime auf Thrombocyten. Die wichtigsten Parodontitis-Markerkeime (Porphyromonas gingivalis, Prevotella intermedia) produzieren im Sulcus Protease 1, ein eiweißzerstörendes Enzym (Trypsin-ähnlich), das ein wichtiger Pathogenitätsfaktor ist (Gewebsinvasivität) und aus dem Taschenepithel in den Blutkreislauf eindringen kann. Diese Protease 1 aktiviert Thrombozyten und entfaltet damit eine Wirkung, die der des Thrombins gleicht. In geringen Konzentrationen führen die Proteasen zu einer Aggregation der Thrombocyten und damit zu thrombotischen bzw. embolischen Komplikationen.

Bakterielles Endotoxin: Zellwandbestandteile gramnegativer Parodontitis-Bakterien (Endotoxin, Lipopolysaccharide) belasten bei chronischer Parodontitis den gesamten Organismus, da sie dauernd in den Blutstrom gelangen. Diese Lipopolysaccharide (LPS) wirken als B-Zell-Mitogen, d.h. die Antikörperproduzierenden Zellen aktivierend und damit Antikörper-induzierend. Außerdem stimulieren sie als allgemeines immunologisches Adjuvans die Abwehrreaktion. Im Tierversuch konnte an Mäusen gezeigt werden, daß die Lipopolysaccharide von Porphyromonas gingivalis sehr potente Induktoren einer raschen Thrombocyten-Aggregation waren.

Die lokale Abwehrreaktion im Sulcus ist durch die lebhafte Produktion von Cytokinen (Immunmediatoren) begleitet, z.B. Interleukin l, Prostaglandin E2, Tumornekrosefaktor. Diese Cytokine initiieren ebenfalls die Atherogenese und begünstigen damit thromboembolische Ereignisse.

Direkte Wirkung von Sulcusbakterien durch Bakteriämie: Streptococcus sanguis, ein benigner Kommensale im Suicus gingivalis, aggregiert menschliche Thrombocyten in vitro. Im Tierversuch wurde gezeigt, daß zirkulierende Streptokokken in Kaninchen eine Aggregation von Thrombocyten hervorrufen, einschließlich der typischen Anlagerung der Aggregate und von Fibrin an endokarditischen Vegetationen.

In summa zeigt die Assoziation von Parodontitis mit koronarer Herzkrankheit Charakteristika, wie sie auch bei anderen Infekten mit transitorischer, jedoch rekurrierender Bakteriämie beschrieben wurden. Die Suche nach gemeinsamen biologischen Mechanismen ist im Gange und wird eventuell Möglichkeiten der gezielten therapeutischen Beeinflussung eröffnen.

Therapeutische Konsequenzen
Bis dahin ist zweifellos das zahnärztliche und patientenseitige Bemühen um eine gute Mundhygiene ein wichtiger Faktor zur Vorbeugung gegen thromboembolische Komplikationen.

Informationen aus dem Umweltmedizinischen Labor München